Bericht 49: Die zweite Festnahme in Lhasa, Tibet

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Tibet - unsere zweite Festnahme

Unruhige Zeiten in Lhasa

Nur wenige Tage nach den Aufständen ist das Hotel wie leergefegt. Nur noch wenige bekannte Gesichter sind in unserer Bleibe, Freunde, die entweder radeln, bergsteigen oder unterrichten. Das deutsche Fernsehen berichtet, dass alle Ausländer Tibet verlassen müssen und so stellen auch wir uns auf einen Rauswurf ein, packen mehrmals all unser Gepäck fertig und stellen uns innerlich schon mal auf Diskussionen beim Transport unseres Rades ein.

20.03. - 04.04. Aufstände in Tibet

Doch wir dürfen in Lhasa bleiben, niemand von einer offiziellen Stelle fordert uns auf, Lhasa und Tibet zu verlassen. Der innere Kern der Stadt ist nach wie vor abgeriegelt und wir hören immer nur von Geschichten, die uns die Haare zu Berge stehen lassen. Ein Tibeter erzählt Mandy, dass bei Verhaftungen auf dem Weg zum Gefängnis mit Eisenstangen auf die Personen eingeschlagen wird. Aus relativ sicherer Quelle wissen wir, dass eine Person, die an einer friedlichen Demonstration am Barkhor teilnahm, zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und nun Kinder und Frau allein zurücklässt. Wir kennen einen ausländischen Studenten, der in einer 4 Millionenstadt mit Freunden essen war. Einer seiner Freunde vergaß im Restaurant seinen Reisepass und als der Freund 20 Minuten später im Internat war, lag sein Pass auf dem Schreibtisch! Es ist nicht so leicht, nicht paranoid zu werden, vor allen Dingen, als uns etwas passiert, das wir bis dahin nur aus James Bond Filmen kannten. Aber dazu mehr, wenn wir China verlassen haben. Ende März lassen wir uns unsere Pässe aus Shanghai zurückschicken, da die Agentur noch immer nicht die Visa verlängern darf. Den Zug zu nehmen kommt für uns erstmal nicht in Frage, da uns noch 22 Tage bleiben, in denen wir Osttibet erreichen können.

Raus aus Lhasa- Rauf auf’s Rad

Wir wissen nicht wie die Chancen sind Osttibet zu durchqueren. Normalerweise werden in Osttibet auch schon Radfahrer gestoppt und per Bus zurückgeschickt. Doch wie wird es in der aktuellen Situation sein? Uns fällt jedenfalls in Lhasa sprichwörtlich die Decke auf den Kopf. Am 26. März fahren wir – wieder mit unseren Pässen - raus aus der Stadt und wir hätten anscheinend keinen besseren Zeitpunkt finden können. Die Botschafter waren einen Tag zuvor in der Stadt und dementsprechend ist wenig Militär unterwegs. Auch als die Journalisten in der Stadt waren, wurde ein Großteil des Militärs vorübergehend abgezogen, und kehrte dann zurück. Niemand hält uns an, als wir die Stadt verlassen. Wir sind erstaunt, als wir in einem 20km von Lhasa entferntem Dorf auch einige verwüstete Läden sehen. Wir lassen es am ersten Tag ruhig angehen und kurbeln nur 40 km runter. Kurz bevor wir in einem kleinen Wäldchen einen geschützten Zeltplatz finden, passieren wir noch einen Kontrollposten. Ein Soldat wedelt mit seinen zwei Fähnchen, macht aber keine Anstalten uns zu stoppen. Eins, zwei, drei sind wir auch schon an einem sichtgeschützten Platz, wo wir unser Zelt aufstellen und eine für tibetische Verhältnisse relativ warme Nacht im Zelt verbringen.

abfahrt lhasa 4 abfahrt lhasa 5
Lhasa, März 2008, direkt vor unserem Hotel, einige Tage nach den Aufständen. Man sieht gegenüber noch das ausgebrannte Haus, aber die Trümmer vor den Häusern sind schon wieder aufgeräumt.

Besuch von der Polizei

Am nächsten Morgen sitzen wir keine zwei Kilometer auf dem Rad, als wir sowohl von einem Militär- als auch von einem Polizeifahrzeug gestoppt werden. Erregte Beamte teilen uns in gebrochenem Englisch mit, dass sie uns die ganze Nacht gesucht hätten! Na toll! Das war ja ein kurzer Abstecher nach Osttibet. Oder können wir doch noch weiterfahren? Von uns werden Fotos gemacht, Daten aufgenommen und dann müssen wir ihnen unseren Zeltplatz zeigen. Es ist fast lustig anzusehen, wie Benny vorausgeht und alle Beamten pflichtbewusst im Gänsemarsch hinterstapfen, darunter ein Soldat mit einem Satellitentelefon, dessen Antenne fast doppelt so groß ist wie er selbst. Ich bleibe derweil am Rad und kann mir nach der genauen Inspektion unseres Schlafplatzes nicht die Frage verkneifen, ob Benny ihnen denn auch unseren Toilettenplatz hätte zeigen müssen. Trotz allem ist die Situation aber nicht unangenehm. Die Beamten sind freundlich zu uns und laden uns nach einem kleinen weiteren Verhör auf der Polizeistation sogar zum Mittagessen ein. Der Polizeichef sagt uns zunächst sogar zu, dass wir weiterfahren dürfen und er stellt uns auch ein Papier aus, das wir an Checkposten vorzeigen dürfen. Doch die Freude hält nicht lange vor. Aus irgendeinem Grund ändert er plötzlich seine Meinung und wir dürfen nur noch maximal 20 Kilometer bis in den nächst größeren Ort Meldro Gunkar fahren und müssen von dort zurück nach Lhasa. So ein Mist! Dann sagt er: ‚See you later!’ und ist weg. Wir halten Kriegsrat und haben leider nicht viele Möglichkeiten. Wir sind nicht sonderlich fit und die Chancen stehen schlecht, auf Grund der verstärkten Kontrollen von Meldro Gunkar aus zu entwischen. Auch ist unser Visum zu kurz um die nördliche Route von Lhasa aus zu nehmen. Ein Anruf bei der Agentur nimmt uns alle Hoffnungen, da noch immer Visumsstopp herrscht. In jedem Fall halten uns die Soldaten auf, als uns das stumpfsinnige Warten nach einer Stunde zu viel wird und wir weiterfahren wollen. Letzten Endes müssen wir unser Tandem auf einen Kleintransporter laden, der uns nach Lhasa zurückbringen soll. Doch nach ca. 10 Kilometern Fahrt halten wir an der nächsten Polizeistation an, wieder für eine mehrstündige Pause.

Tag auf der Polizeistation - wie geht es weiter?

Der Nachmittag verrinnt nur langsam und so üben wir uns darin, unsere Aufsichtsperson auf Chinesisch zu fragen, wann es weitergeht. Soweit wir es verstehen, warten wir auf andere Polizisten, die uns dann nach Lhasa fahren sollen. Gegen 17 Uhr werden wir ein weiteres Mal zum Essen eingeladen, als plötzlich zwei Polizistinnen aus Lhasa eintreffen, die uns dorthin eskortieren sollen. Dummerweise sind diese über unseren Gepäckstatus scheinbar völlig desinformiert und sind völlig irritiert, als sie zu verstehen geben, dass unser Gefährt nicht in ihren viel zu kleinen Kofferraum passt.

Die Sache mit dem Gesicht verlieren

Jetzt heisst es für beide: Achtung, Gefahr! Gesichtsverlust naht! Da liegt doch nichts näher, als zur allgemeinen Unterhaltung aller Beteiligten noch ein kleines Frage- Antwort-Spiel zu organisieren. Regel Nummer eins: Alle Fragen werden uns doppelt gestellt. Regel Nummer zwei: alle Fragen und Antworten müssen verschriftlicht werden. Regel Nummer drei: Am Ende der Befragung wird von der „Susi“ alles auf Englisch zusammengefasst und übersetzt und dann müssen die Mandy und der Benny etwas unterschreiben, was sie nicht lesen können. Doch da das Gefährt der beiden noch immer nicht bereit steht, stellen auch die Mandy und der Benny noch ein paar Fragen, die unsere lieben Begleiter ins Schwitzen bringt und die sie uns nicht beantworten können/wollen? Doch dann endlich dürfen wir nach Lhasa gefahren werden und uns wird nahe gelegt, so bald wie möglich Lhasa zu verlassen. Doch anstatt uns zum Hotel zu fahren, hält unser Fahrzeug vor dem PSB-Gelände (Ausländerpolizei)! Angeblich müssen nach siebenstündigem Warten noch unsere Speicherkarten im Büro kontrolliert werden, da wir angeblich heimlich Fotos von Militär gemacht haben. Eine fiese und gemeine Lüge! Nun haben wir wirklich die Faxen dick und laden entgegen allen Protestes unser Rad ab, Gepäck auf und halten kurz das Display unserer Kamera hin mit dem Kommentar: „Wir sind keine Verbrecher und wollen auch nicht so behandelt werden." Es funktioniert! Wir dürfen tatsächlich ins Hotel fahren und sind unsere Aufsichtspersonen scheinbar los.

 
 
 
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