Bericht 43: Rahmenbruch und Messerattacke in Tibet

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Rahmenbruch und Messerattacke in Tibet

  • kleine Statistik: 05.- 30. Nov
  • Gefahrene Kilometer: 521 / 10 Etappen
  • Tiefste Temperatur beim zelten: -25 Grad
  • Längste Etappe: 76,6 km
  • Kürzeste Etappe: 33,6 km
  • Durchschnitt: 52,1 km
  • Kilometer im LKW: ca. 250
  • Am häufigsten nachgedacht über: Körnerbrötchen
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Gebetstrommeln am See Manasarovar - eines meiner
absoluten Lieblingsfotos unserer Reise
Tibetisches Hirtenmädchen
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Yaks vor dem Berg Gurla Mandatha, der die Grenze von
China / Tibet und Nepal markiert
Schutz vor eisigem Wind und trockener Höhenluft

Aufbruch in die klirrende Kälte

In Ali tun wir alles, wonach wir uns nach Wochen in der Kälte gesehnt haben: Wir ruhen uns aus, lesen uns durch einen riesigen Mailberg im Internetcafe. Natürlich können wir nach einem Monat in der Abgeschiedenheit nicht der Versuchung der Supermärkte widerstehen, mit all den bunten Packungen, die wir sonst jeden Tag unseres Lebens in unseren Händen halten. Und zu guter letzt treffen wir noch einige andere Radler, nämlich Carlotta und Hedwig, die wir schon von Kashgar kannten, sowie Andy aus Deutschland, Andy aus der Schweiz, und Mirijam aus Holland, die ebenso wie wir etwas spät dran sind auf ihrem Weg nach Kathmandu. Und so haben wir einige nette Abende zusammen, und im Endeffekt werden es doch statt der geplanten 5-6 Tage etwa 11, bis wir mit allem fertig sind und endlich weiterfahren.

Der Aufbruch ist wieder anstrengend: Erneut sind die Taschen wieder bis obenhin vollgestopft, und die Muskeln wieder ein bischen runter nach 11 Tagen ohne Radfahren. Die Strasse jedoch ist hier - genau wie kurz vor Ali - asphaltiert, was mitten im Nirgendwo irgendwie merkwürdig ist. Trotz dem Asphalt müssen wir aber unser Tandem über den Pass kriegen, was am ersten Tag immer besonders schwer ist. Ausserdem plagen uns beide Knieschmerzen, diesmal sogar Benny, das erste Mal auf der Reise. Also müssen wir es machen wie immer: Langsam, bis wir es dann doch wieder geschafft haben. Oben auf dem Pass wehen tausende von Gebetsflaggen, die die Tibeter hier hinterlassen haben. Eine Altkleidersammlung in Deutschland ist nichts dagegen: Unzählige Kleidungsstücke, Schuhe oder Hüte wurden hier von gläubigen Tibetern als Opfergabe hinterlassen.

Hinter dem Pass kommt für uns natürlich das Sahnestück der Asphaltierung: Die Abfahrt! Denn nun können wir hier leise wie ein Vogel im Gleitflug mit 60 km/h runterrasen, anstatt wie sonst mit 15 km/h durchgeschüttelt zu werden und bei jedem Huckel um das Material zu bangen. So schaffen wir dann noch ein gutes Stück am ersten Tag. Wir sind froh, in Namru anzukommen, da die Sonne schon untergegangen ist und es eisig kalt geworden ist. In einer kleinen Pension bei einem netten, alten Tibeter können wir schlafen, unser Essen kochen und uns über die vier Wände freuen, die uns in der Nacht vor dem eisigen Wind beschützen. Noch müssen wir nicht zelten, können unsere Etappen erst mal so abpassen, dass wir ein festes Dach über dem Kopf haben. Wir sind nicht unglücklich darüber, denn nach einigen Etappen werden wir wieder keine Wahl haben und unser Zelt in die Kälte stellen müssen.

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Gebetsflaggen auf den Pässen Den Buddhisten und Hindus heilig: Berg Kailasch
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Nomaden ziehen vor Moincer durch das Land Strenge Geschlechtertrennung: Männer- und Frauentoilette

Ätzende Monopolisten

Am nächsten Morgen kommen wir früh los, einerseits gut, andererseits eisig kalt. An der Seite eines Flusstals fahren wir heute rauf und runter. Unsere Knieschmerzen sind noch schlimmer als am Vortag, besonders bei Mandy. Also müssen wir wieder im Schneckentempo über den nächsten Huckel, es geht noch langsamer als am Vortag, aber immerhin. Yaks grasen manchmal auf den Weiden, vereinzelt stehen alle paar Kilometer Häuser, wo die Nomaden wohl im Winter wohnen. Bei unserer Ankunft im Ort Schangscha finden wir leider nicht so einen netten Tibeter wie am Vortag. Es gibt vielleicht 15 Läden oder Restaurants in dem Ort, aber fast alle sind geschlossen, bis auf eins. Dort könnten wir schlafen, aber die tibetischen Frauen sind alles andere als freundlich und wollen den dreifachen Preis pro Person, den wir am Vortag zahlen mussten. Das schmeckt uns nicht, wir wollen uns weiter umsehen.

Am anderen Ende des Dorfes finden wir scheinbar nette Chinesen, bei denen wir wohl auch schlafen könnten. Wir entladen unsere Fahrräder - seit Ali sind wir in der Begleitung von Mirijam, die von Holland aus per Rad um die Welt fährt: Mirijams Internetseite. Wir machen uns es gemütlich im warmen. Wir fragen nach Reis, doch die Chinesen hier wollen 60 Yuan für uns drei - das ist das vier bis zehnfache vom normalen Preis! Später wollen Sie auch Geld, als wir heisses Wasser nehmen wollen - bisher war immer selbstverständlich, dass wir heisses Wasser kostenlos bekamen, wie eben üblich in China. Es wird uns ungemütlich, und bevor wir selbst gehen können, werden wir rausgeschmissen - da machen wir uns doch gern los. Wir tragen unsere Sachen raus in die Kälte, der Wind ist schon wieder eisig. Zelten wollen wir nicht, also müssen wir bei den nicht gerade freundlichen Tibeterinnen angekrochen kommen. Vielleicht müssen wir auch Verständnis haben für diese beiden Frauen, die hier im nirgendwo die chinesischen Soldaten bewirten und wer weiss was noch alles machen für Geld, was sie nicht haben. Es ist dann doch noch netter als erwartet, wir breiten uns im Nebenzimmer mit Ofen aus - super, wieder eine warme Nacht gesichert.

Idyllisches Dorf Moinzer

Der nächste Tag führt uns nach Moinzer, eine kurze Etappe, die uns gerade recht kommt. Moinzer ist ein zu fast 100% tibetischer Ort, keine chinesische Militärbasis verschandelt die Landschaft. Die Atmosphäre in dem Dorf ist auch sichtlich entspannter, der Lebenspuls schlägt hier nicht so schnell wie bei den Chinesen. Im Dorfzentrum sind in den Lehmhäusern viele kleine Läden, Tibeter spielen Billiard auf Tischen die auf der Strasse aufgebaut sind. Hier gefällt es uns, hier fühlen wir uns wohl. Hier entscheiden wir uns, einen Ruhetag einzulegen, auch damit Mandy sich noch ein bischen erholen kann. So können wir dann wieder mit neuer Energie starten, die wir auch brauchen, da der neue Asphalt hinter Moinzer aufhört und wir wieder mit der Holperpiste vorlieb nehmen müssen. Doch die Aussicht ist bei der Weiterfahrt grandios: Bis zum indischen Gebirgsmassiv des 7800 Meter hohen Nanda Devi können wir gucken, der laut unserer Karte über 100 Kilometer entfernt sein soll.

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Tibeter mit tollem Hut in Moinzer Traktor in Moincer, Tibet
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Mandy mit Tibeterin Tibet - Benny probiert Tsampa
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Yaks grasen friedlich weg mit dem Schnodder - das hassen die kleinen überall auf der Welt!
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Hirtenmädchen in Tibet Tibetisches Kind
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Gebetsfahnen Wir waschen uns draussen: Schnell heisses Wasser nachkippen,
dann ist es angenehm an der heissen Quelle
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Dorfleben in Barkha, Tibet

Es wird brenzlig

Der Tag fängt gut an: Als wir aus Chiu losfahren, kommen wir den Pass wesentlich besser hoch als erwartet, es ist sonnig. Die Abfahrt führt uns nach Barkha, ein nettes tibetisches Dorf mit kleinen Läden und einem Restaurant. Das Dorf lebt: Draussen auf der Strasse werden Motorräder repariert oder Ziegen durch die Gegend gezerrt. In dem Restaurant lassen wir uns bekochen. Ach, wären wir um alles in der Welt mal da geblieben, werden wir uns später denken. Aber wir wollen nicht vorgreifen. Noch ist alles in Ordnung, ja sehr schön sogar. Wir essen uns erst mal satt. Draussen sind einige Kinder und Erwachsene an unserem Tandem interessiert, Benny dreht eine Runde mit einigen Kindern. In der Zwischenzeit schnappt sich ein Tibeter Mirjams Fahrrad und dreht ebenfalls eine Runde. Leider demoliert er den Ständer. Mirjam besteht aber darauf, dass der Tibeter das wieder gut machen soll, mit welchem Ziel auch immer, denn eine gemeinsame Sprache zur Verständigung haben die Tibeter und wir 3 Europäer nicht. Der junge Mann streckt Mirjam die Zunge raus als Zeichen des Bedauerns, aber Mirjam bleibt beharrlich, und irgendwie schafft er es mit einigen elastischen Schnüren, den Ständer wieder benutzbar zu machen.

Etwa 20 weitere Holperkilometer führen uns nach Horchu oder Huore, ein Dorf mit tibetischem Kern und neuen chinesischen Plattenbauten und breiter Prachtstrasse. Bei einer netten Tibeterin kommen wir unter, wollen uns aber noch ein bischen in der Stadt umschauen und etwas einkaufen. Doch wir finden fast keinen Laden, alles ist geschlossen. Wir sind froh, ein chinesisches Restaurant zu finden, wo wir gerne etwas essen wollen. Aber ganz zufrieden sind wir mit dem Essen nicht, denn im gebratenen Gemüsereis, den wir bestellt haben, ist eigentlich kein Gemüse drin. Beschiss! Denken wir, und machen den Betreibern klar, dass wir nicht den vollen Preis bezahlen wollen, sondern nur die Hälfte, wie gewöhnlich nur für Reis, was es im Endeffekt auch nur ist. Doch so ganz wollen Sie es nicht akzeptieren, sie schwatzen, telefonieren, scheinen unzufrieden zu sein. Aber irgendwann akzeptieren Sie dann doch den niedrigeren Betrag. Situation gelöst? Denkste...
Chinesische Messerattacke
(Die nun folgende Beschreibung war bisher das schlimmste Erlebnis auf unserer Reise. Vielleicht kann Sie anderen als Warnung dienen. Andererseits sind wir dankbar, auf unserer Reise ansonsten immer so positive Erfahrungen gemacht zu haben.)

Ein gutes Gefühl haben wir trotz allem nicht. Ob Sie noch die Polizei hinter uns her schicken werden? Von anderen Reisenden haben wir gehört, dass es teilweise gut ist, ein Foto von Leuten zu machen, damit man im Zweifelsfall ein Beweismittel hat. Doch als Mandy ein Foto von den Leuten macht, eskaliert die leicht angespannte Situation: Auf einmal rennen die Leute auf Mandy zu. Benny steht dazwischen und kann 2 der Chinesen - einen Mann und eine Frau - kurz aufhalten, doch der andere Chinese rennt an der Seite vorbei und attackiert Mandy. Die Kamera fällt auf den Boden, Mandy wird rausgeschleift, fällt auf den Boden, wird von dem einen Chinesen getreten. Alles passiert in wenigen Sekunden. Benny hebt die Kamera auf und legt Sie beiseite, um schnell Mandy zu Hilfe zu eilen. An einem Chinesen und der Frau kommt Benny vorbei, während Mandy weiter auf dem Boden liegt. Doch auf einmal rennt der andere Chinese mit einem fussballgrossen Stein hinter Benny hinterher. Benny rennt weg, um die Ecke, wird von dem Chinesen verfolgt. Um die Ecke findet Benny auch einen grossen Stein, jetzt bekommt der kleine Chinese wiederum Angst, rennt zurück, Benny ebenso, um Mandy und Mirjam wieder zu Hilfe zu eilen. Mandy kann in der Zwischenzeit wieder aufstehen, als der andere Chinese mit einem erhobenen, grossen Schlachtermesser aus dem Restaurant raus auf die Strasse gerannt kommt, wo sich die ganze Situation abspielt. Doch wie durch Magie beruhigt sich die Situation, als andere Leute herbeieilen und beschwichtigen.

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Noch weiss das Opfer nichts von der Killerkatze... Haus von reichen Tibetern
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Ey - was macht die Ziege in unserem verlassenen Haus! Tibet - Gebetsflaggen und Yakköpfe an den Pässen

Nacht auf der Polizeistation

Wir können unser Tandem nehmen, schieben es langsam weg, fahren los. Doch einer der Chinesen, der Mandy vorher rausgeschleift und getreten hatte, rennt nun immer noch seitlich hinter unserem Fahrrad her. Der Schock über die Gewalt und Aggressivität der 3 Chinesen sitzt noch tief. Mandy hat nun beide Hände frei auf dem Vordersitz. Sie schnappt sich das Pfefferspray, sprüht dem Typ direkt in die Augen. Er dreht schmerzverzerrt das Gesicht weg, und auch die Frau, die ebenso hinter uns her gerannt war, bricht die Verfolgung nun ab. Endlich. Wir fahren zum Haus der Tibeterin, wo wir eigentlich übernachten wollten. Die Mädchen liegen sich weinend in den Armen, Benny sorgt währenddessen dafür, dass wir die Fahrräder in einem Nebenraum unterstellen, damit die aggressiven Chinesen nicht sehen können, wo wir unterkommen. Denn das Haus der Tibeterin ist nur 500 Meter vom Ort des Geschehens entfernt.

3 Personen kommen auf das Haus zu. Sind es die aggressiven Chinesen? Wir überlegen uns schon, was wir machen - müssen wir uns Waffen besorgen, verschanzen wir uns? Das Herz fängt wieder an schneller zu schlagen, der Puls geht schlagartig in die Höhe. So recht wissen wir nicht was wir nun machen sollen. Die Personen kommen näher. Doch es scheinen Soldaten zu sein. Puh, wir können erst mal durchatmen, begrüssen die Chinesen in Uniform erleichtert und dankbar. Doch wir sollen mit auf die Wache kommen, unsere Räder mitnehmen. Zusammen mit den Soldaten gehen wir also nun zur Polizeiwache. Doch auch die 3 Täter sehen wir in einigem Abstand. Mandy ist noch ausser sich, will den Chinesen zeigen, was für Unrecht Sie uns angetan haben. Sie nimmt einen Stein, um zu zeigen wie die Chinesen uns bedroht haben. Panik bricht aus, die Chinesen denken Mandy will den Stein schmeissen.

Wir 3 sowie die 3 Chinesen kommen in getrennte Zimmer. Was nebenan passiert wissen wir nicht, wir werden nun verhört. Am Anfang ist der Ton der Soldaten noch etwas verschärft: Warum wolltet ihr die Rechnung nicht bezahlen, was habt ihr dem einen Mann ins Auge gesprüht? Wir erklären den Soldaten in Ruhe die Situation, das Essen war nicht angemessen, die Restaurantbetreiber haben uns attackiert. Doch im Laufe des Verhörs wird die eigene Aussage der 3 Chinesen ihnen selbst zum Verhängnis: Mandy hätte Sie angeblich mit unserer Spiegelreflexkamera angegriffen! Auch im weit entfernten China verstehen die Soldaten jedoch relativ schnell, dass wenn wir wirklich jemanden angreifen würden, dass niemals mit unserem teuersten Ausrüstungsgegenstand machen würden - wie dämlich, so etwas zu behaupten. Immer lockerer wird der Ton zwischen den Soldaten und uns. Scheinbar werden irgendwann die Chinesen im Nebenzimmer, die die Polizei gerufen hatten, nach Hause geschickt. Nein, Sie werden nicht eingesperrt. Aber jetzt noch wochenlang hierbleiben, sich einen Anwalt nehmen, wäre uns dann auch zu umständlich. Hoffentlich haben Sie wenigstens ihr Gesicht verloren. Doch so eine grundlose Aggression hatten wir nicht erwartet, wir hätten das Foto bestimmt auch gelöscht. Hätten wir das alles ahnen können, hätten wir bestimmt auch die 1,50 Euro mehr bezahlt, oder das Essen gleich stehen lassen.

Es wird nett mit den Soldaten, sie zeigen uns Fotos, wir ihnen ebenso. Es wird spät, wir fragen danach wo wir schlafen können. Doch auf einmal wollen Sie uns ausquartieren, wo wir doch die ganze Zeit verstanden hatten, dass wir da schlafen können! Besonders Mandy steht noch unter Schock, sie muss weinen, wir diskutieren mit den Soldaten, bis Sie uns schliesslich doch bei sich schlafen lassen. Es wird wohl die heisseste Nacht seit Wochen: Eine Warmwasserheizung haben wir sonst in Tibet noch nirgendwo gesehen. Wir teilen uns ein Zimmer, Mirjam schläft im Raum nebenan. Wir machen uns bettfertig, Mandy liegt schon im Bett, Benny schreibt noch Tagebuch. Auf einmal ein Schrei von nebenan: "Benny"! Er rennt rüber - was ist passiert? Ein Soldat steht vor Mirjams Tür, nach Angaben von Mirjam wollte dieser Sex mit ihr. Benny vertreibt den Soldaten, macht ihm klar, dass der Wicht das Weite suchen soll, was er auch schleunigst tut. Ein krönender Abschluss vom beschissensten Tag unserer Reise.

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Yaks kreuzen die Strasse Gebetsfahnen am Kloster in Chiu / Nähe See Manasarovar
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Nach der Attacke: Wir schlafen bei der Polizei Tibet - auch die einheimischen Kinder schützen sich vor der Kälte

250 Kilometer ohne Dorf

Mit gemischten Gefühlen starten wir am nächsten Tag aus Horchu. Das Ereignis vom Vortag steckt uns noch in den Knochen, ausserdem erwartet uns nun eine Fahrt ins Nirgendwo, bei der wir mindestens 3 oder 4 mal in der Kälte zelten müssen und wo keine Dörfer auf der Strecke zu erwarten sind. Und am ersten Tag auf der Holperpiste scheinen wir so gut wie gar nicht voranzukommen, der Belag der Strasse ist wie Waschbrett, wir holpern 10 Zentimeter rauf und runter, immer wieder. Wir fahren ständig von links nach rechts, in die Mitte, teilweise neben der Strecke, immer auf der Suche nach einer besseren Spur. Abends kommen wir an ein paar Häusern vorbei, müssen wir vielleicht doch nicht zelten? Das nicht gerade, aber zumindest können wir in einem verlassenen Haus schlafen. Eine Ziege leistet uns Gesellschaft und kommt zu uns in den Raum, wird dann aber von Benny wieder rausgeschmissen, da wir unsere Nudeln gerade nicht teilen wollen. Doch der Egoismus wird bestraft, nachdem Mirjam ihre Portion Nudeln mit Sosse bekommen hat: Benny lässt den Topf Nudeln mit Gemüse und Tomatensosse auf dem Weg zu unserem Zelt in den Dreck fallen. "AAAAAHHHHHH!!!!". Eine halbe Katastrophe, nachdem wir uns beim ersten Mal kochen schon die Finger abgefroren haben, müssen wir nun nochmal neu Essen machen. Und die besten Zutaten sind nun im Dreck. Gottseidank ist es nicht eine ganz so grosse Katastrophe wie am Vortag.

Wir schlafen in einem Scheisshaus

Wieder kommen wir am nächsten Tag nicht gut voran, zu der schlechten Piste geht es nun auch noch bergauf auf den Maryum Pass, mit 5250 Metern seit einer Weile der höchste. Doch ganz bis über den Pass schaffen wir es heute nicht mehr, wir wollen zelten. Ist das in der Ferne ein Haus? Wir fahren hin, stellen aber fest, dass das kein Haus oder keine Ruinen sind, sondern buchstäblich ein Haufen Scheisse. Doch die Yakscheisse, die zu einer Art Mauer aufgeschichtet ist, kann uns heute als Windschutz dienen. Also schlafen wir heute in einem Scheisshaus.

Immer wenn die Anstrengung am grössten ist, wird alles für uns persönlich auch härter. Sowohl zwischen uns beiden, als auch bei uns selbst. Was meinen wir damit? Im harmlosen Sinne reden wir ewig über Essen. Nein, nicht die Stadt, aus der wir kommen, sondern das, was den Magen befriedigt. Deutsche Bäckereien, Oh ja, jetzt ein Körnerbrötchen, oder die vegetarischen Brotaufstriche, die wir so gerne haben, Käse, halt, Stopp! Wir könnten stundenlang darüber schreiben. Doch auch mit Freunden oder der Familie zusammensitzen, zu Hause, oder in der Stammkneipe, das sind Dinge, an die wir in Tibet oft denken. Doch oft auch sind wir beiden erschöpft, dann können Situationen zum Streit führen, über die wir sonst lachen würden. Aber macht euch keine Sorgen, wir haben uns immer wieder vertragen.

Schliesslich schaffen wir den Pass, fast ein bischen zu leicht für einen 5250 Meter hohen Pass, wir sind scheinbar endlich mal gut in Form. Und auch auf der anderen Seite kommen wir auf der Abfahrt und in der anschliessenden Ebene gut voran - der Wind ist zwar eisig, kommt aber aus der richtigen Richtung und treibt uns kräftig von hinten an. Nach einer weiteren kalten Nacht im Zelt machen wir am nächsten Tag in einem tibetischen Haus Pause. Wir beiden trinken ein Bier. Mirjam rät uns ab: "Das geht direkt in die Beine, es sind heute noch knapp 30 Kilometer, trinkt ja kein Bier!" Doch wir winken ab, ein Bier sollte doch kein Problem sein. Doch als wir nachher weiterfahren, ist wirklich die Lenkung komisch. Was ist los? An der Gabel oder am Steuersatz liegt es nicht. Ist Benny vom Bier ein bischen benebelt? Wir fahren weiter mit schlechter Steuerung. Bis es auf einmal "PÄNG" macht. Was ist los? Wir sitzen halb auf der Strasse - Der Rahmen ist gebrochen! Wie konnte das passieren?

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endlose Weite - wir holen Wasser aus einem Eisloch Aksai Chin Plateau, Tibet - Sonnenuntergang am Zelt
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@#$%&!!!!! Der Rahmen ist gebrochen! Wie konnte das passieren? Tibet - jetzt müssen wir in den nächsten Ort per LKW um dort den
Rahmen zu schweißen
 
 
 
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