Bericht 42: Der heilige Berg Kailash

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Tibet - Die Kora um den heiligen Berg Kailasch

Einmal im Leben...
...mindestens sollte jeder tibetische Buddhist zum Berg Kailash gereist sein, und diesen zu Fuss umrundet haben.

In einem der vielleicht abgelegensten Teile der Welt im Westtibetischen Hochplateau gelegen, wo es in weitem Umkreis keinen Punkt gibt, der eine geringere Höhe hat als 4000 Meter. Der heilige Berg selbst erhebt sich zu einer Höhe von 6710 Metern. Seine Spitze ist symetrisch und sieht aus wie eine Pyramide, die ganzjährig mit Schnee bedeckt ist. Und an diesem Berg, oder zumindest in seiner Nähe, entspringen vier der wichtigsten Flüsse von ganz Asien: Dazu gehören die weltbekannten Indus und Brahmaputra sowie die ebenfalls gewaltigen Ströme Karnali und Sutlej.

Anmerkung 1:
Ausnahmsweise sind die Berichte 42 und 43 nicht chronologisch: In Bericht 42 schreiben wir nur über den Besuch und die Umrundung, sprich Kora, des für die Tibeter heiligen Bergs Kailash, die vom zeitlichen Ablauf her eigentlich in die Mitte von Bericht 43 gehören würde. 

 

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Anmerkung 2:
Ein grosses Dankeschön geht an dieser Stelle an die beiden Reisenden Andreas und Sergio. Denn beide halfen uns mit Fotos für diesen Bericht aus, da uns leider eine Speicherkarte mit einem GB und 200 Fotos abhanden kam, das waren fast alle von der Umrundung des Bergs Kailash. Andreas, der ebenfalls per Fahrrad Tibet bereiste, trafen wir am heiligen Berg Kailash. Er stellte uns viele Fotos zur Verfügung. Die Fotos 1,2,4, 7-16 und 22 in diesem Bericht stammen von Andreas. Über seine Abenteuer kann man ebenfalls nachlesen: Andreas Reise im Internet Die Bilder 18, 19, 20 und 21 sind von Sergio, der per Anhalter zum Berg Kailash fuhr und den wir im Januar und Februar in Lhasa trafen. Die restlichen Bilder 3, 6, 17, 23 und 24 sind von uns. Bild 6 war eines der letzten Bilder was nicht verloren ging, die anderen schnitten wir aus aus Videos mit unserer Mini-Kamera.

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Die höchste Pilgerreise der Welt

Ist es Zufall, dass wir genau am heiligen Berg Kailash 22.222,22 Kilometer geradelt sind? Es erscheint uns fast magisch und auch wir wollen wie so viele Buddhisten und Hindus die 52 Kilometer lange Umrundung des Berges auf uns nehmen. Die Sünden des jetzigen Lebens werden nach der Umrundung vergeben, und auch die Reinkarnation soll dadurch günstig beeeinflusst werden. Es ist sehr kalt, als wir das Dorf Darchen am Fusse des Berges erreichen, dass im Sommer von Pilgern und Touristen überlaufen sein muss. Schnell finden wir eine gemütliche Bleibe im "Om Coffee Guesthouse", das von einer netten tibetischen Familie betrieben wird, neben deren Wohnzimmer wir nächtigen. Einen Ruhetag gönnen wir uns bevor wir loswandern, und erkunden ein wenig das Dorf. Wir merken deutlich, dass hier viele Touristen einkehren, denn egal wohin man geht, wird man mit einem lauten "Hello!!" fast erschlagen, auch die Preise sind teilweise fast viermal so hoch, wie in den untouristischen Gebieten. Es ist doch sehr interessant zu beobachten, wie stark Tourismus die Umwelt verändert und diese Beobachtung ist für uns zugleich auch immer eine Bestätigung, weiterhin mit dem Rad zu reisen. So halten wir doch durch unser Tempo bedingt oft in kleinen Orten, wo die Allradfahrzeuge nur durchbrausen. Die Kinder im Dorf bleiben jedoch von dem ganzen Rummel weitestgehend unbeeindruckt und schlittern auf Plastik- und Holzkisten mit lachenden Augen den zugefrorenen Fluss hinunter.

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Die Kora um den Berg Kailash - Tag 1

Jedesmal wenn wir von unserem Radel steigen und wandern, so müssen wir feststellen, dass wir unsere Wandermuskeln beim Radfahren nur minimal trainieren. Wandern ist anstrengend! Wir haben Tagesproviant im Gepäck, Kamera und wie sich später herausstellt unnötigerweise unsere Schlafsäcke. Wir laufen im Uhrzeigersinn um den Berg und wandern zunächst auf einem Feldweg entlang, der uns nach wenigen Kilometern zum ersten Aussichtspunkt führt. Dort flattern unzählige Gebetsfahnen im Wind, Mani-Steine liegen angehäuft, in die das Mantra "Om mani padme hum" (Juwel in der Lotusblüte) eingraviert sind, sowie geopferte Schädel von Yaks und Schafen. Wir haben uns schon manchmal gewundert, warum manche der Tiere auf den Weiden bunte Gebetsflaggen auf dem Rücken tragen, und so wissen wir nun, dass jene aus religiösen Gründen geopfert werden. Unzählige Kleidungsstücke liegen hier neben all den Gebetsfahnen angehäuft- ist den Tibetern bei ihrer Umrundung zu warm geworden? Natürlich nicht, wie wir uns belesen. Kleidungsstücke werden an verschiedenen Stellen am Berg geopfert, damit sie dem ehemaligen Träger Schutz bieten in der Zeit zwischen Tod und dem Eintritt in ein neues Leben.

Vorbei an zahlreichen Chörten (Schreine, in denen Lamas beerdigt sind) und Manimauern führt uns der Weg in die breite Talschlucht an der Westseite des Berges. Tatsächlich treffen wir noch zwei weitere tibetische Pilger, als wir den berühmten Gebetsfahnenmast passieren, wo jeden Sommer ein riesiges Fest gefeiert wird. Viele der Pilger umrunden den Berg in einem Tag, doch wir brauchen dafür weit länger. Plötzlich tauchen über uns unzählige Greifvögel auf - richtig, über uns befindet sich ja der Luftbestattungsort. Tibeter kennen auch die Wasserbestattung oder verbrennen ihre Toten, doch am häufigsten findet die Luftbestattung statt. Darunter versteht man das Verstreuen der Asche eines Verstorbenen von einem Heißluftballon oder Flugzeug aus - laut Wikipedia. In Tibet ist das ein wenig anders. Diese für den Buddhismus unübliche Art der Bestattung ist auf den Mangel von Brennholz, sowie dem im Winter gefrorenen Boden zurückzuführen. Am Tag der Bestattung wird der Leichnam, nach einer letzten Beschwörung von einem Lama, noch vor Sonnenaufgang zum Bestattungs-Platz gebracht. Dort wird der Körper von den Leichenbestattern, den Ragyapas, zerstückelt und an die - zuvor angelockten - Geier verfüttert. Erst in der Dämmerung erreichen wir das Kloster, wo wir noch andere tibetische Pilger sogar mit Kindern antreffen. In der Küche des Klosters wärmen wir uns bei Gemüsenudelsuppe auf, bevor wir in die harten, kalten Betten des Klosters fallen.

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Kailash Kora, Tag 2: Über den Drölma La Pass, 5670 Meter

Schon mit Sonnenaufgang sind wir auf den Beinen und gleich hinter dem Kloster beginnt der Anstieg von 4900 Metern Höhe zum knapp 5700 Meter hohen Drölma La Pass. Da wir spät dran sind, führt uns ein kleiner Trampelpfad durch den Schnee bergauf in Richtung Pass. Die Luft ist extrem dünn und es ist unglaublich kalt. Wir laufen vorbei an einer verschneiten Steinwüste. Einige grosse Hinkelsteine sind lustigerweise bekleidet mit Hemden oder Pullovern, auch viele Schuhe haben die Tibeter hier zurück gelassen. Denn für einen Tibeter soll die Umrundung des Kailash auch einen Neubeginn bedeuten: Die Sünden des aktuellen Lebens werden erlassen, und als neue Person soll man vom Berg zurückkehren. Als Zeichen dafür lassen die Tibeter auch einen Gegenstand von sich hier zurück, wie zum Beispiel Kleidung. Je wertvoller, desto besser. Manche Tibeter sollen sich angeblich auf der Umrundung sogar einen Zahn ausschlagen und diesen hier hinterlassen.

Während wir diese angezogenen Steine passieren und an vielen Gebetsflaggen vorbeistapfen, nähern wir uns immer mehr dem Pass. So hoch waren wir in unserem Leben noch nie. Nur gut, dass wir nicht unser schwer beladenes Fahrrad über diesen Pass schleppen müssen. Denn wir sind fix und fertig, als wir auf dem Drölma La Pass ankommen, genau auf der Nordseite, sechsundzwanzig Kilometer in beide Richtungen zu Fuss entfernt vom Ort Darchen. Tausende Gebetsflaggen trotzen hier für eine Weile dem Wind und den Naturgewalten, bis wieder neue Pilger hier her kommen und neue aufhängen werden.

Bald machen wir uns nach einer kurzen Verschnaufpause auf den Weg bergab, wir sind froh, den höchsten Punkt mit eisigem Wind hinter uns zu lassen. Wir schlittern teils auf dem Hosenboden die zugefrorenen Flüsse und vereisten Trampelpfade runter, es ist extrem rutschig. Geschafft. Die hinduistischen Gottheiten Shiva und Pavarti als auch die tibetische Gottheit Demchog, die auf der Bergspitze wohnen sollen, sehen wir leider nicht, doch vielleicht sind sie ja für menschliche Augen unsichtbar? Wieder im Flusstal hüpfen wir von Huckel zu Stein, überqueren teilweise gefrorene Flussläufe und erreichen vor Sonnenuntergang das Kloster. Dort leben nur zwei Mönche, die sehr nett zu uns sind und uns mit Tütensuppen versorgen.

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Kailash Kora, Tag 3: Zurück nach Darchen

Als wir am Morgen unseren Schlafplatz bezahlen und die Alkoholflasche auf dem Tisch stehen sehen, fühlen wir uns, als wenn wir ihnen ihren Suff finanzieren würden. Später erfahren wir, dass viele Mönche in Klöstern von der chinesischen Regierung eingesetzt werden und hauptsächlich als Geldeintreiber funktionieren. Doch es gibt auch Ausnahmen und nach wie vor flüchten jedes Jahr unzählige Tibeter ins Exil nach Indien, weil sie ihre Religion nicht frei ausüben können oder gefoltert werden. Für uns endet die Umrundung auf einem guten Wanderweg, wie sie begonnen hat, wieder in Darchen. Zurückgekehrt treffen wir auch den Radler Andy wieder. Von den Sünden unseres jetzigen Lebens sind wir nun befreit und zur Vervollkommnung fahren wir am nächsten Tag zu den heissen Quellen nahe des Klosters Chiu, wo wir uns an der frischen Luft mit heissem Quellwasser übergiessen. Auch die Tibeter des Dorfes am Kailash nehmen dort ein Bad- ein Mal pro Jahr, wie uns unser Wirt verrät. So ganz scheinen uns unsere Sünden jedoch nicht vergeben worden zu sein, denn als wir uns ein paar Wochen später die Fotos von der Umrundung ansehen wollen, stellen wir fest, das wir unsere 1GB Speicherkarte verloren haben. Nach dem Klosterbesuch nämlich hatten wir das schrecklichste Erlebnis unserer bisherigen Reise. Doch lest selbst im nächsten Bericht...

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