Bericht 28: Indien - das Land der Gegensätze

Indien - das Land der Gegensätze

 
Kleine Statistik: 03. Mrz - 26. Mrz: Chennai - Kalkutta
  • bis 04.03.07: Chennai
  • 05.03.07: Chennai - Sullurpet 99,6 km
  • 06.03.07: Sullurpet - Nellore 89,7 km
  • 07.03.07: Nellore - Ongole 139,3 km
  • 08.03.07: Ongole - Vijayawada 152,7 km
  • 09.03.07: Vijayawada - Eluru 56,6 km#
  • 10.03.07: Eluru - Rajahmundry 93,1 km
  • 11.03.07: Rajahmundry - Tuni 103,0 km
  • 12.03.07: Tuni - Vishakapatnam 102,2 km
  • 13.03.07: Vishakapatnam
  • 14.03.07: Vishakap. - Srikakulam 107,6 km
  • 15.03.07: Srikakulam - Baruva 115,6 km
  • 16.+17.03.07: Baruva
  • 18.03.07: Baruva - Rhomba 103,2 km
  • 19.03.07: Rhomba - Khurda 111,3 km
  • 20.03.07: Khurda - Cuttack 55,6 km
  • 21.03.07: Cuttack - Bhadrakh 105,3 km
  • 22.03.07: Bhadrakh - Belda 156,6 km
  • 23.03.07: Belda - Kalkutta 170,6 km
  • ab 24.03.07: Kalkutta
	Indien: Büffel wird gewaschen		Indien: Wir sind in Baruva bei Fischern zu Gast
Indien: Büffel wird gewaschen Indien: Wir sind in Baruva bei Fischern zu Gast
	Indien: Fahrradrikschafahrer		Indien: Schöne Blume
Indien: Fahrradrikschafahrer Indien: Schöne Blume

Was macht man in einem Ashram?

Acht wunderbare Tage verbrachten wir im Ashram der Shri Ram Chandra Mission, auf den wir uns schon lange gefreut hatten. Diese Oase der Ruhe mit Meditationshalle, Bücherei, grossem Park, Küche und vielem mehr liess uns durch seinen geregelten Alltag zur Ruhe kommen. Bereits um fünf Uhr jeden Morgen ertönt die Glocke zur selbständigen Meditation, um halb sieben findet dann die dreiviertelstündige ebenfalls stille Gruppenmeditation in der grossen Meditationshalle statt. Nach dem Frühstück um halb acht ist Zeit für eigene Wege, Freiwilligenarbeit oder zum Studium von Literatur in der Ashrambücherei, bis um halb fünf ein nochmaliger Gruppensatsang stattfindet. Dazwischen findet sich viel Zeit für Gespräche mit Gleichgesinnten aus aller Welt. Zapfenstreich ist dann gegen halb zehn Uhr Abends. Unbschreiblich war auch die erste Begegnung mit uns unserem Meister Chari, die wir deshalb auch nicht beschreiben. Für uns war die Zeit dort ein ganz besonderes Geschenk, denn dort konnten wir neue Energie tanken und unsere Körper und Geister zur Ruhe bringen.

Jetzt doch mit Anhänger ;-)

Spass beiseite. Wir haben zwar wieder ein wenig nach Hause geschickt, nachdem wir uns mitsamt dem Fahrrad auf der letzten LKW-Waage wogen und 100kg (für Gepäck und Fahrrad, aber auch Wasser und Essen) zusammenkamen, aber wir haben uns jetzt defintiv gegen einen Anhänger entschieden. Stattdessen entschloss sich der 23-jährige französische Rastamann Jean-Philippe, kurz J.P. genannt, uns zu fragen, ob er nicht mit uns nach Nepal kommen kann. Wir fanden ihn sehr sympathisch, sagten zu, und ohne lang zu zaudern kaufte er sich spontan ein indisches Mountainbike der Marke Hero mit gefälschter Shimano-Gangschaltung, schraubte zwei verschliessbare Metallboxen an den Gepäckträger und noch einen kleinen Korb vorne an den Lenker: fertig. Und der Mann hat unter unseren neidvollen Blicken sogar noch Platz in seinen Gepäcktaschen, während unsere Taschen gut gefüllt sind. Ein bisschen Pech hatten wir leider auch mit unserem Material, denn im indischen Kuschelverkehr raste uns ein Mopedfahrer in die Küchentasche die vorne links angebracht ist, riss sie von der Halterung und hinterliess noch einen schönen grossen blauen Fleck auf Mandys linkem Unterschenkel. Ein paar Tage später musste wieder die Küchentasche leiden, die von einer rasiermesserscharfen Fussraste aufgeschlitzt wurde. Bisher haben wir sie erst mal so gut es geht geflickt und müssen wenn nötig, uns eine neue bestellen.

	Indien: Im Gewusel in Indien		Indien: Einheimische im Fischerdorf Baruva
Indien: Im Gewusel in Indien Indien: Einheimische im Fischerdorf Baruva
	Indien: Verdreckte Luft in Kalkutta		Indien: Da ist sie die heilige Kuh
Indien: Verdreckte Luft in Kalkutta Indien: Da ist sie die heilige Kuh

18 Tage = 1800 Kilometer = Chennai bis Kalkutta

Jean-Philippe (J.P.) hatte sich nicht gerade die leichteste Etappe für den Start rausgesucht, denn unser straffer Zeitplan führte uns die letzten Tage zu 90 Prozent auf dem Highway entlang und liess nur wenig Spielraum für Abstecher und Ruhepausen. Doch bis jetzt ist er alles ohne Probleme mitgefahren und da wir sogar schneller fuhren als gedacht, blieb doch noch Zeit für kleine Exkursionen. Wie im Ashram stehen wir jeden Morgen gegen fünf Uhr auf und sitzen dann meist ab sechs auf dem Rad. Wenn wir fix sind, ist schon um ein Uhr Feierabend, wenn wir um die 100 Kilometer gefahren sind und sich die Strasse gut fahren liess. Bei schlechteren Strassen oder Abstechern legen wir dann spätestens ab 12 Uhr bis ca. drei Uhr nachmittags Mittagspause ein, bis die grösste Hitze vorbei ist. Unerwartet schön ist die Landschaft hinter Madras. Als wir erst mal aus dem grössten Grossstadtdreck raus sind, begrüsst uns eine Landschaft, die uns mit ihren weiten Grasflächen ein bisschen an Norddeutschland erinnert. Überhaupt ist die Ostküste ein sehr ländliches Gebiet mit nur wenigen grossen Städten und vielen bäuerlichen Gemeinden, die Reis, Korn, Kokosnüsse, Chilischoten und auch Sonnenblumen anbauen. Oft sehen wir auch Ziegenherden, deren Hirten kleine Sonnenschirme tragen. Weiter im Norden radelten wir auch schon mal auf kleineren Nebenstrassen durch Mangoalleen, deren Früchte zu unserem Leid noch nicht reif waren. Überhaupt waren oft die kleinen Nebenstrassen am schönsten für uns, zum einen da dort oft nur wenig Verkehr los war, die Strassen des öfteren Holperpisten, aber dafür die Einheimischen viel entspannter und ursprünglicher wirkten.

Indien: Das Land der Gegensätze

Es ist kaum zu beschreiben: Einmal wirst du bewirtschaftet, verköstigt und aufs beste und uneigennützigste Versorgt, während du an der nächsten Ecke wieder auf übelste Art und Weise beschissen wirst. Du hast die besten Gründe, einmal das Land zu hassen und es abgrundtief zu verteufeln, und es das andere Mal über alles zu lieben - es ist wie Janus mit seinen 2 Gesichtern, oder wie Yin und Yang. Ein Beispiel:

Die Strecke nach Rajamundry ist nur einspurig pro Richtung ausgebaut, und der Lastwagenverkehr ist so extrem, dass wir fast verrückt werden: Alle wollen sofort überholen und direkt an uns vorbei. Entgegenkommende Fahrzeuge stören auch nicht. Die Inder scheinen nicht zu denken: "Wann kann ich überholen, dass noch genug Platz und ausreichend Sicherheitsabstand ist?", sondern nur: "Ich fahre drauf, dränge das blöde Fahrrad zur Seite ab und kann durchrasen!" Also fahren wir so weit rechts (bei Linksverkehr) dass Sie gezwungenermassen hinter uns bleiben müssen. Dann Hupen Sie zwar noch länger und lauter, aber das ist manchmal immer noch angenehmer als immer so knapp geschnitten zu werden. Und während gerade unser Hass auf die LKW-Fahrer am grössten ist, hält auf einmal einer neben uns an und will uns 300 Rupien schenken! Wir lehnen natürlich ab, aber er bleibt härtnäckig! Nein, Geld nehmen wir selbverständlich nicht an. Verdattert fahren wir weiter, bis uns wieder der nächste LKW fast von der Strasse drängt und mit seiner Hupe fast das Trommelfell zertrümmert...

	Indien: Mandy schläft in Park		Indien: Wir mit Fischern in Baruva
Indien: Mandy schläft in Park Indien: Wir mit Fischern in Baruva
	Indien: Am Strand in Baruva		Indien: Inderinnen sortieren Chilischoten
Indien: Am Strand in Baruva Indien: Inderinnen sortieren Chilischoten

In Aktien für Hörgeräte investieren

Ein frisch angereister Kanadier formulierte es ein Mal sehr treffend: "In Indien unterhalten sich die Leute in einer Lautstärke, als wenn sie in den Höhrer einer schlecht funktionierenden Telefonzelle schreien." Dies können auch wir in der Tat für städtische Gebiete bestätigen: ständig dudelt irgendwo Musik, manchmal auch mehrere gleichzeitig, die Busse hupen sich mit den LKWs, den Rikschas und den Mopeds um die Wette gegenseitig den Weg frei und ständig schreit irgend eine Person in sein Mobiltelefon, das hier in Indien grossen Zulauf findet. Doch auch für uns hat das Konsequenzen. Mehrmals am Tag fährt ein laut knatterndes Moped neben uns her, deren Fahrer es ganz normal finden, noch im dicksten Stadtverkehr und Lärm mit uns schreiend zu kommunizieren. Auch immer sehr lustig ist die Frage nach dem Weg. Anfangs waren wir manchmal fast ein bisschen verzweifelt, wenn uns niemand sagen konnte, wie wir zu einem bestimmten Ort kommen. Wir schoben es eine Zeit lang auf unsere schlechte Aussprache, bis wir auf den Trichter kamen: es liegt an der leisen Lautstärke!!! Wir reden einfach zu leise und kichern schon immer jedesmal, wenn wir fragen müssen:

1) Vishakapatnam? (normale Lautstärke) -> fragender Blick
2) Vishakapatnam? (leicht erhöhte Lautstärke)-> es wird ein Ort gesagt, der komplett anders klingt
3) VISHAKAPATNAM? (Benny brüllt lautstark) -> ah, Vishakapatnam, klar, hier lang!

	Indien: Versiffter Bach voller Chemikalien und Müll		Indien: Mandy mit alter Inderin
Indien: Versiffter Bach voller Chemikalien und Müll Indien: Mandy mit alter Inderin
	Indien: In Baruva		Indien: Kleiner hinduistischer Tempel
Indien: In Baruva Indien: Kleiner hinduistischer Tempel

Baruva

Auja, am Meer zelten! Das ist unser erster Gedanke, als wir das kleine Dörfchen Baruva direkt am Meer auf der Karte entdecken. Ob in diesem Dorf schon mal ein Europär war? So muss Indien vor 20 Jahren gewesen sein: nur wenig motorisierte Fahrzeuge auf den Strassen, Leute treiben entspannt Handel und es ist fast still auf den Strassen! Die holprige Dorfpiste führt uns ans Meer zu einem fast einsamen Sandstrand mit kleinen Dünen und zwei Fischerbooten, die etwas abseits liegen. Es dämmert schon und wir sind uns unschlüssig hier zu zelten, da doch einige Leute noch am Strand rumlaufen. Wir stehen nicht lange rum, bis jemand kommt und uns sagt, dass wir im Touristenbungalow direkt am Meer schlafen können. Wow, das hätten wir nicht erwartet und da uns beim zelten nicht ganz wohl war, ist die Freude gross. Der Schlüssel lässt sich dann auch noch auftreiben und schon sind für diese Nacht zwei Einzelzimmer, eine Art Balkon, Esszimmer und zwei Bäder unser Heim auf Zeit. Es gibt zwar kein Wasser und Strom und alles ist mächtig eingstaubt, aber uns stört es nicht und und gemütlich auf Sofa und Couch sitzend vertilgen wir bei Kerzenschein unsere Einkäufe.

Am nächsten Morgen wollen wir weiter, doch nach einem Bad im Meer kapitulieren wir: Es ist einfach zu schön hier! Auch den nächsten Tag bleiben wir noch und werden in der Zeit vom halben Dorf besucht. Ein Lehrer der Dorfschule führt uns im Dorf herum und erklärt uns zum Bespiel, dass der Reis nach der Ernte nochmal einige Zeit eingegraben wird, da er dann schmackhafter wird oder die Frauen jeden Abend vor ihrer Haustür spezielle Mandalas mit Kalk streuen, damit ihnen zum Beipiel die Göttin des Geldes "Laxmi" wohlgesonnen ist. Auch ein Freiheitskämpfer aus Gandhis Zeiten besucht im Bungalow und liest unserem Freund Jean-Philippe, mit dem wir von Madras nach Kathmandu gemeinsam radeln, die Hand. Nach seiner Prognose soll der dreiundzwanzigjährige J.P mit 28 Iahren heiraten und eine Frau finden, mit der er immer einer Meinung ist. Na dann viel Glück J.P.!

	Indien: Kleiner Strassenmarkt		Indien: Kalkutta der Megamoloch
Indien: Kleiner Strassenmarkt Indien: Kalkutta der Megamoloch
	Indien: Brücke über den Hugli Fluss bei Kalkutta		Indien: Rikschahs in Kalkutta
Indien: Brücke über den Hugli Fluss bei Kalkutta Indien: Rikschahs in Kalkutta

Nach Kalkutta

Auch ein Lehrer erzählt uns noch einiges über Indien und beantwortet unsere zahlreichen Fragen, die sich in den letzten Tagen wieder mal angestaut haben, denn in ländlichen Gegenden ist es immer schwer, Menschen zu finden, mit denen wir uns gut unterhalten können, da leider die gemeinsame Sprachbasis fehlt. Indien hat ja sowieso schon mit der Bevölkerungsexplosion zu kämpfen, so dass selbstverständlich auch das Schulwesen leidet und die Schulen einfach mit der Masse an Kindern überfordert und total überlaufen sind. Um bis zu 120 Pänze muss sich ein Lehrer in einer einzigen Klasse im Extremfall kümmern. Damit die Kinder wenigstens trotzdem noch zur Schule kommen, hat die indische Regierung seit einer Weile ein Programm namens "Mittagessen" ins Leben gerufen, bei dem die indischen Kinder Mittags eine warme Mahlzeit bekommen sollen. Das Programm funktioniert wohl ganz gut, ausser dass die versprochenen Köche nicht überall eingestellt wurden, und die Kinder nun zumeist von den Lehrern bekocht werden.

Wir nehmen Abschied aus Baruva, und einige Tage radeln wir an der indischen Ostküste weiter gen Nordosten. Immer mehr nähern wir uns Kalkutta an. Das Schlimmste haben wir dort vom Verkehr erwartet. Doch je mehr wir uns Kalkutta annähern, desto mehr passiert - nichts! Der Verkehr ist harmloser als erwartet, auch der beschriene Dreck ist nicht mehr als in anderen indischen Städten! Wider Erwarten zeigte sich uns Kalkutta als moderne Grossstadt, mit grünen Parkflächen und Shoppingcentern, aber auch Bettlern. Die Hölle Indiens die wir erwartet haben ist hier jedenfalls nicht - Wenn man mal davon absieht, dass die Leute hier wie auch in sooo vielen anderen Städten Indiens in heruntergekommenen Baracken oder Zelten ohne Strom und Wasser wohnen und zur Verrichtung ihres Geschäfts sich in den Busch oder aufs Feld schlagen, sofern vorhanden, oder ansonsten einfach auf die Strasse.

Für uns geht es in den nächsten Tagen weiter nach Darjeeling und dann nach Nepal, wo das elfte Land unserer Reise mit seinen mächtigen Achtausendern wie dem Mount Everest auf uns wartet. YABADABADOO!!!

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